Geschichte des Amtsgerichts Hannover
Am 01.10.1852 trat in dem Königreich Hannover die "Große Justizreform" in Kraft. König Ernst August und seine Berater Windthorst, von During, Leonhardt und Stüve brachten dem Land mit dieser Reform nicht nur ein neues und für die damalige Zeit bahnbrechendes Verfahrensrecht in Zivil- und Strafsachen (z. B. Einführung der Schöffengerichte), sondern auch eine von Grund auf erneuerte Justizorganisation (Staatsanwaltschaften, eigenständige Gerichte).
Vor dieser Reform gab es auf der untersten Stufe staatlicher Einflussnahme keine Trennung zwischen der Verwaltung und der Justiz. Die allgemeine Landesverwaltung übte zugleich auch Aufgaben der unteren Gerichtsbarkeit aus. Damals gab es im Königreich Hannover 274 Untergerichte, und zwar 162 Ämter, 64 Patrimonialgerichte und 48 Magistrate. Sie waren jeweils für unterschiedliche Prozessarten und Personengruppen zuständig. Jedes Untergericht war mit einem adligen rechtsgelehrten Beamten (Drost, Amtmann) besetzt. Zur Seite stand ihm meist ein rechtsgelehrter bürgerlicher Amtsschreiber. Als Arbeitshilfe und zur Ausbildung waren Auditoren angestellt.
Zusätzlich waren 10 Mittelgerichte, sog. Justizkanzleien (u. a. in Hannover) und 1 Obergericht, nämlich das 1711 errichtete Oberappellationsgericht in Celle, eingerichtet. Diesen Gerichten oblagen keine Verwaltungsaufgaben, sondern ausschließlich die Funktion, Recht zu sprechen.
Die Reform brachte für die Gerichte auf der Unterstufe die Trennung der Justiz von der Verwaltung und beseitigte die Buntscheckigkeit der Ämter. Die Rechtspflegeorgane, die erwachende Dritte Gewalt im Staat, hatten endlich ihren eigenen Behördenaufbau und ihre Eigenverwaltung.
Durch Gesetz vom 08.11.1850 und Verordnung vom 07.08.1852 wurden mit Wirkung vom 01.10.1852 im Königreich Hannover 168 Amtsgerichte eingerichtet, deren Anzahl sich 1859 auf 104 Amtsgerichte verringerte. Die Mittelinstanz bildeten 12 große und 4 kleine Obergerichte. Oberste Instanz blieb das Oberappellationsgericht in Celle.
Das Amtsgericht Hannover, das Stadtgericht, war eines der 168 Amtsgerichte und mit 8 weiteren Amtsgerichten dem Obergericht Hannover zugeordnet. Es war mit 1 Oberamtsrichter und 3 Amtsrichtern, 2 Aktuaren und 4 Voigten besetzt und nur für den Stadtbezirk Hannover, hier aber für alle damals 57.000 Bewohnerinnen und Bewohner (also auch für Adel und Kirche) zuständig.
Schon 1856 wurde das städtische Amtsgericht mit dem Amtsgericht, das für den Landkreis Hannover zuständig war, vereinigt. 1859 ist zusätzlich das einstellige Amtsgericht Langenhagen eingegliedert worden.
Das Königreich Hannover ging 1866 im Königreich Preußen, im Norddeutschen Bund und schließlich im Deutschen Reich auf. Dies hatte auch Konsequenzen für die Gerichtsorganisation.
Am 01.01.1879 trat an die Stelle des bisherigen Aufbaues der ordentlichen Gerichte die Aufgliederung in Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und das Reichsgericht.
Das Amtsgericht Hannover war nunmehr mit 15 weiteren Amtsgerichten (Burgwedel, Calenberg, Coppenbrügge, Hameln, Lauenstein, Münder, Neustadt, Obernkirchen, Hessisch Oldendorf, Polle, Pyrmont, Rinteln, Rodenberg, Springe und Wennigsen) dem Landgericht Hannover zugeordnet.
Erst im Jahre 1943 wurde das Amtsgericht Hannover aufgrund seiner Größe selbständig und ist seitdem nicht mehr dem Landgericht Hannover unterstellt, sondern ein eigenständiges Präsidialgericht.
1947 vereinigten die zuständigen Westmächte die ehemaligen Provinzen Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe und schufen das neue Land Niedersachsen. Die Justiz wurde seit dieser Zeit wieder Ländersache. Die amtsgerichtliche Rechtsprechung in der Region Hannover wurde dem Amtsgericht Hannover und 9 weiteren Amtsgerichten (Hameln, Neustadt, Burgwedel, Springe, Wennigsen, Lauenstein, Bad Pyrmont, Rinteln und Bad Münder) 1949 anvertraut. Diese Gerichtssprengel bildeten den Landgerichtsbezirk Hannover, wobei die Selbständigkeit des Amtsgerichts Hannover erhalten blieb. Heute gibt es neben dem Amtsgericht Hannover nur noch 5 weitere Amtsgerichte (Burgwedel, Hameln, Neustadt, Springe und Wennigsen) in diesem Gebiet.
Die Personalentwicklung beim Amtsgericht Hannover ist in den 150 Jahren des Bestehens bemerkenswert. Waren 1852 beim Amtsgericht Hannover, welches nur für den Stadtbezirk mit seinen 57.000 Einwohnern zuständig war, neben dem Oberamtsrichter 3 weitere Amtsrichter, 2 Aktuare und 4 Voigte tätig, so arbeiteten 100 Jahre später, 1952, beim Amtsgericht Hannover neben dem Präsidenten 2 Amtsgerichtsdirektoren, 54 Amtsrichter (also insgesamt 57 Richter) und ca. 400 sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei ist hervorzuheben, dass seit dem 01.05.1952 auch Frauen den Richterberuf beim Amtsgericht Hannover ausüben.
125 Jahre nach Einrichtung der Amtsgerichte in Norddeutschland, also 1977, beschäftigte das Amtsgericht Hannover neben dem Präsidenten und der Vizepräsidentin 76 weitere Richterinnen und Richter und ca. 560 sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Rechtspfleger/innen, Beamte/innen des mittleren Dienstes, Justizangestellte, Wachtmeister und Arbeiter).
150 Jahre nach der Gründung sind beim Amtsgericht Hannover neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten 106 weitere Richterinnen und Richter, 100 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger (Kopfzahlen) und 417 sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie viele Auszubildende (Referendare/innen, Beamtenanwärter/innen des gehobenen und mittleren Dienstes, Auszubildende für den Justizangestelltenberuf, Gerichtsvollzieheranwärter/innen aus mehreren norddeutschen Bundesländern) tätig. Trotz vermehrter und schwierigerer Aufgaben stehen im nichtrichterlichen Dienst weniger Personen der Rechtspflege zur Verfügung als noch vor Jahren.
Die inhaltliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover wurde im Laufe der letzten 150 Jahre immer mehr erweitert und hat sich auch schwerpunktmäßig verschoben. Neben den rechtsprechenden richterlichen Aufgaben insbesondere im Zivil- , Familien-, Vormundschaftsrecht (Betreuungsrecht), Erwachsenen- und Jugendstrafrecht, sowie Insolvenz-, Zwangsvollstreckungs- und Landwirtschaftsrecht hat der nichtrichterliche Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie der des Zwangsvollstreckungs- und des Insolvenz- (Konkurs-) rechts auch wirtschaftlich für die Bevölkerung an Bedeutung gewonnen. Die Nachlass- und Handelsregisterangelegenheiten sind mittlerweile von den Richtern/innen überwiegend auf die Rechtspfleger/innen übertragen worden. Die elektronischen Medien und Techniken haben inzwischen in allen Bereichen der Rechtsgewährung Einzug gehalten und haben damit die Arbeitsabläufe rationalisiert sowie die Kommunikation mit anderen Behörden und dem Bürger beschleunigt und vereinfacht.
Das Amtsgericht Hannover war in seiner 150 jährigen Geschichte in verschiedenen Gebäuden untergebracht, und zwar zunächst von 1852 bis 1888 in dem von Reden'schen Palais in der Osterstraße 33. Dann zog es – zusammen mit dem Landgericht und der Staatsanwaltschaft – in das damals erbaute, im 2. Weltkrieg völlig zerstörte "Alte Justizgebäude" Am Raschplatz, auch Justizpalast genannt (auf diesem Grundstück wurde 1952 bis 1956 das heutige Landgerichtsgebäude errichtet). 1907 bis 1911 ergänzte man das "Alte Justizgebäude" durch das "Neue Justizgebäude" Volgersweg 1 (den Altbau des heutigen Amtsgerichtsgebäudes). Abteilungen des Amtsgerichts Hannover waren aber von Anfang an bis heute zusätzlich in angemieteten Gebäuden in der Innenstadt ansässig, weil zu keiner Zeit genügend Raum zur Verfügung stand. Im heutigen Amtsgerichtsgebäude Altbau waren bei Wiederaufnahme der Rechtsprechung nach dem 2. Weltkrieg am 01.06.1945 im Erdgeschoss das Amtsgericht Hannover, in der 1. Etage das Landgericht Hannover und die Militärregierung und in der 2. Etage die Staatsanwaltschaft Hannover untergebracht. Teilweise saßen 7 Beamte in einem Zimmer. Die Infrastruktur entsprach den erbärmlichen Verhältnissen, unter denen auch die Bürgerinnen und Bürger im zerstörten Hannover zu leiden hatten.
Seit 1956 bewirtschaftet das Amtsgericht den Altbau im Volgersweg 1 allein. Die Raumnot war aber weiterhin enorm, so dass im Jahre 1977 Mitarbeiter des Amtsgerichts Hannover nicht nur im Hauptgebäude Volgersweg 1, sondern auch im Volgersweg 2, Hinüberstraße 11, Hohenzollernstraße 53, Brüderstraße 6, Am Klagesmarkt 17 und im Polizeipräsidium untergebracht waren. Entspannung brachte 1985 ein Neubau auf dem Nachbargrundstück, dem ehemaligen Postscheckamt. Die Gebäude in der Hinüberstraße 11 und die für das Mahngericht angemieteten Räumlichkeiten in der Hamburger Allee sowie ein Bunker im Sahlkamp zur Aktenlagerung stellen aber auch heute noch "Zweigniederlassungen" dar. Seit 2004 ist das Mahngericht zentral nach Uelzen verlegt worden. In den frei gewordenen Räumlichkeiten in der Hamburger Allee ist sodann das Insolvenzgericht nebst einigen Sachbearbeitern, die bislang in der Hinüberstraße 11 untergebracht waren, eingezogen. Das Gebäude Hinüberstraße wird seit Ende 2004 nicht mehr genutzt.
Der Amtsgerichtsbezirk Hannover hatte ständig wachsende Einwohnerzahlen zu verzeichnen. So gehörten zum Gerichtssprengel 1852 ca. 57.000 Bürgerinnen und Bürger; 1880 waren es schon ca. 160.000; 1900 wuchs die Zuständigkeit auf ca. 288.000 Menschen; 1914 waren es ca. 417.000 und schon 1939 war eine halbe Million erreicht. Der Anstieg setzte sich aber auch nach dem 2. Weltkrieg fort. 1952 gehörten zum Amtsgerichtsbezirk 550.000,1977 ca. 710.000 und heute ca. 750.000 Menschen davon 520.000 in der Landeshauptstadt selbst.
Neben dem Gebiet der Stadt Hannover gehören heute auch die Gemeinden Langenhagen, Seelze, Laatzen und Hemmingen mit den jeweils angeschlossenen Ortsteilen zum Amtsgerichtsbezirk Hannover.